Land im Sturm

Was will uns "Land im Sturm" vermitteln?

Vor ein paar Tagen durfte ich endlich das fertige Ergebnis meiner langjährigen Arbeit in Händen halten - das erste Exemplar meines neuen Romans. Ich finde, es ist ein wunderschöner Hardcover geworden mit einem tollen Umschlagentwurf. Er ist auf relativ dünnem Papier gedruckt, so dass die über 900 Seiten nicht zu schwer in der Hand liegen. Ich konnte nicht umhin, gleich ein Foto zu machen, zusammen mit meiner Trilogie "Herrscher des Nordens" als Sockel. Was irgendwie auch passend ist, denn ich habe beide Geschichten zum Teil nebeneinander geschrieben.




Die beiden Romane bilden einen Gegensatz. Beide sind historisch, aber während "Herrscher des Nordens" das Heranreifen und das abenteuerliche Leben eines Mannes in einem sehr begrenztem Zeitraum des Hochmittelalter erzählt, versucht "Land im Sturm" gleich ein ganzes Jahrtausend zu erfassen und verständlich zu machen.

Ist so etwas überhaupt möglich? Und was wollte ich damit erreichen?

Natürlich ist es nicht möglich, die Geschichte eines Jahrtausends (eigentlich sind es hier 900 Jahre) in einem einzigen Roman unterzubringen. Unsere Geschichte ist so umfangreich und weitläufig, so blutig wie reich an Umwälzungen und neuen Strömungen, das alles darzustellen, könnte kein Roman zustande bringen, höchstens ein Sachbuch - auch dann nur sehr zusammengefasst. Ich habe mich deshalb auf fünf Episoden unserer Geschichte beschränkt, die unser Land verändert und geformt haben. Natürlich hätte ich auch andere Ereignisse wählen können, aber diese fünf erschienen mir besonders bedeutend. Da ist der Sieg über die Ungarn, der zur Entstehung des deutschen Kaiserreichs entscheidend beitrug, die Entstehung Lübecks und des Ostseehandels wie auch der Wendenkreuzzug, natürlich der 30-jährige Krieg, dann Preußens Befreiung vom Joch Napoleons und zuletzt die industrielle Revolution.

Im Roman erleben wir diese epochalen Ereignisse und Veränderungen durch das Schicksal einfacher Menschen, die in den Strudel der äußeren Umstände hineingezogen werden und diese genauso wie ihr eigenes Leben zu meistern suchen. Manche kommen zu Tode, andere überleben und bauen wieder auf. Der Roman erzählt von Kampf und Auseinandersetzungen, aber auch von Glück und Liebe. Dabei sind die Helden des Romans in ihren Träumen und Bestrebungen immer typische Menschen ihrer jeweiligen Epoche.

Sind die Episoden in diesem Buch nun völlig unabhängige, einzelne Geschichten, die nichts miteinander zu tun haben?

Nein, ganz im Gegenteil. Die Geschichten sind alle sind miteinander verbunden, denn es handelt sich durchgehend um die gleichen Familien. Da sind die Schmitts, eine Handwerkerfamilie, die Billungs, eine adeliges Geschlecht und die Fischers, eine Kaufmanns- und industriellen Familie. Sie tragen auch die gleichen Namen, was die Verbindung von Generation zu Generation noch deutlicher macht. Sie haben immer wieder miteinander zu tun, und dabei baut eine Geschichte auf der vorherigen auf. Sie reichen sozusagen den Stab an die nächsten Generationen weiter, auch wenn das manchmal im ersten Moment nicht offensichtlich ist. Dabei spielt ein altes Familienerbstück eine wichtige Rolle, auch wenn dieses manchmal die Familie wechselt, so taucht es doch immer wieder auf.

Neben den persönlichen Schicksalen versucht der Roman, die Entwicklung des Landes zu vermitteln - von den einfachen Bauern im Inntal im 10. Jahrhundert bis zur industriellen Revolution und den neuen politischen Ideen des 19. Jahrhunderts, die sich 1849 im Kampf auf den Barrikaden Gehör verschafften. Und auch, welche unterschiedlichen Menschen im Laufe der Geschichte zu Deutschen geworden sind: Welsche aus dem Süden, Wenden östlich der Elbe, Hugenotten aus Frankreich und viele andere. Im Grunde waren wir hier in der Mitte Europas schon immer ein Einwanderungs- und Mischvolk. Wäre auch erstaunlich, wenn es anders wäre. In diesem Sinne versucht der Roman zu erzählen, woher wir kommen und wer wir sind. Ein ambitioniertes Unterfangen, aber einen Versuch wert, denke ich. Der Leser wird entscheiden, ob es gelungen ist.

The Making of "Land im Sturm"

Man mag sich fragen, wieso ich einen Roman geschrieben habe, der fast ein Jahrtausend deutscher Geschichte zum Inhalt hat, und wie das überhaupt möglich sein soll, tausend Jahre Geschichte in einen Roman zu quetschen, auch wenn der über 900 Seiten hat.

Zunächst, wie kam es überhaupt zu diesem Projekt?


Land im Sturm - Cover



Nach diversen Romanen, die im Hochmittelalter und im Ausland spielen (Lebanon, Frankreich, Italien, Skandinavien), dachte ich, es wäre endlich an der Zeit, eine Geschichte zu schreiben, die in Deutschland spielt. Mein Agent hatte die Idee zu einem umfangreichen Buch, das viele Jahrhunderte behandelt, vielleicht so eine Art Romanchronik. Das gefiel mir nicht wirklich. Das fühlte sich zu sehr nach Geschichtsbuch an.

Trotzdem hat mich die Idee irgendwie nicht losgelassen. Michener und Rutherfurd haben mit Erfolg solche Bücher geschrieben. Ich selbst habe viele von Micheners Werken mit Vergnügen gelesen und dabei eine Menge über die Geschichte gewisser Regionen gelernt. Was ich allerdings bei diesen Büchern als großen Nachteil empfinde, man kommt den vielen Figuren einfach nicht nahe. Zu viele Generationen, zu viele Einzelschicksale. So historisch interessant das auch ist, die Figuren darin bleiben im Ganzen farblos, da zu wenig Zeit auf den Einzelnen verwandt wird. Das wollte ich vermeiden, daher war für mich klar: ein Aneinanderreihen von hundert Schicksalen sollte es nicht geben, auch kein Versuch, die gesamte deutsche Geschichte darzustellen. Wenn überhaupt, dann würde ich mich auf einige wenige bedeutsame Ereignisse beschränken.

Welche Episoden wählt man aus? Im Prinzip gibt es so viele wichtige Ereignisse, dass die Auswahl immer arbiträr und nur eine persönliche sein kann. Ein anderer Autor hätte sicher anders gewählt. Für mich war Ottos I. Sieg über die Ungarn Voraussetzung für ein Deutsches Kaiserreich. Die Gründung Lübecks und der Weg nach Osten führten zur Hanse und dem Aufstieg des Bürgertums. Den Dreißigjährigen Krieg kann man wirklich nicht auslassen und die Befreiungskriege gegen Napoleon führten zum Aufstieg und zur Hegemonie Preußens. Schließlich, was wären wir heute ohne die rasante industrielle Entwicklung und die Revolution von 1848.

Ein weiterer Entschluss war, nicht über Fürsten und Könige zu schreiben, sondern über eine einzige Familie, die die Jahrhunderte durchlebt, Menschen wie du und ich im Sog der jeweiligen Ereignisse ihrer Epoche, die ihre eigenen Sorgen und Schicksale haben, dabei aber den Konflikten ihrer Zeit nicht entgehen können und auf unterschiedlichste Weise darin verwickelt werden, mal leiden sie darunter, mal profitieren sie, mal reißt es sie auseinander, mal finden sie sich in Liebe. Immer aber werden sie auf die Probe gestellt, geraten in Gefahr, müssen überleben und treffen Entscheidungen, die auch ihre späteren Nachkommen berühren. Es beginnt im Jahre 955 mit Arnulf dem welschen Schmied aus dem Inntal und endet 1848 mit den aufstrebenden Schmitt-Werken in Berlin.