Unsere Welt

Wer sind diese Leute?

Es war etwa 1960. Ich war 13 Jahre alt - wir hatten einige Zeit zuvor einen Fernseher bekommen -, da lief einmal die Woche um 18:00 eine Dokumentation über den Zweiten Weltkrieg. Ich glaube sie war von der BBC, ich bin mir nicht sicher. Meine Eltern wollten sie nicht sehen. Sie hatten wohl genug vom Krieg und wollten lieber vergessen. Ich aber hockte jede Woche vor dem Bildschirm, schaurig fasziniert und vor allem tief schockiert. Besonders vom Elend des Holocausts, von den Bergen von bis auf die Knochen abgemagerten Leichen in den befreiten Konzentrationslagern.
Diese Bilder haben mich für mein Leben geprägt.
Überhaupt diese ganze Zeit: diese Aufmärsche, diese schrecklichen Reden vor jubelnden Massen, zusammenknallende Hacken, die zum Hitlergruß erhobenen Arme, diese Gesichter von Himmler, Goebbels und Hitler mit seinem lächerlichen Bärtchen. Ich empfand das alles als völlig irre Welt, so anders als meine eigene. Dabei war damals das Ende dieses hässlichen Spuks erst 15 Jahre her. Das war Deutschland einmal gewesen?, fragte ich mich. Kaum zu glauben!
Und dann die Kriegsszenen, die Stuka-Angriffe, die brennenden Schiffe auf dem Atlantik, die zerbombten Städte, die Leute, die in Trümmern vegetierten. Die Menschen, die auf Knien in einer Reihe auf den von ihnen selbst ausgehobenen Massengrab lagen und dann einer nach dem anderen mit Genickschuss getötet wurden. Der Stacheldraht der Konzentrationslager, die ausgemergelten Gestalten, die Uniformen der SS, die Juden, die in Viehtransportern ankamen, die Säcke von abgeschnittenen Frauenhaaren und herausgebrochenen Goldzähnen, der Gestank der Krematorien. Den konnte ich in der Fernsehdokumentation natürlich nur ahnen. Trotzdem drehte sich mir bei diesen Bildern der Magen um.
Heutzutage denkt man, das ist alles Vergangenheit, längst überwunden. Nie wieder Auschwitz! Deutschland ist ein gutes Land geworden, beliebt in der Welt.
Ja, und dann geht so ein Killer in Halle los, um Juden umzubringen. In ihrer Synagoge! Und man liest, allein in Berlin sind in den letzten 6 Monaten 400 Übergriffe gegen Juden registriert worden. Rechtsextreme in der Bundeswehr. Hasstiraden in den sozialen Medien. Juden müssen sich wieder fürchten in Deutschland. Ist das denn zu fassen?
Wer sind diese Kerle, die sowas tun? Was geht in deren Köpfen vor? Woher kommt diese absurde Gesinnung? Woher kommt der völlig unverdiente Hass? Was wollen die eigentlich erreichen? Nochmal 60 Millionen Tote? Wieso verehren die Nazis, reden wie Goebbels, schwenken ihre Fahnen?
Viele Juden denken inzwischen ans Auswandern. Ich muss sagen, fast denke ich selbst ans Auswandern. Das ist nicht mein Deutschland.

Was motiviert einen Terroristen?

Was motiviert Menschen wie Brenton Tarrant, mit einem Sturmgewehr in zwei Moscheen einzudringen und 50 Menschen umzubringen? Und das auch noch live auf Facebook zu streamen. Oder einen Anders Breivik, auf den Tarrant sich beruft, der im Jahre 2011 in Norwegen 77 junge Menschen kaltblütig getötet hat. Oder die islamistischen Terroristen, die im Pariser Bataclan 130 Menschen umgebracht haben.
So unverständlich der Hass ist, der diese Leute dazu veranlasst, so erstaunlich ihre Bereitschaft, sich dabei zu opfern, entweder selbst bei dem Anschlag zu sterben oder lebenslang ins Gefängnis zu gehen. Wer tut so etwas?
Diese Frage hat mich als Autor interessiert, der gerade einen Roman über einen solchen Mann zu Ende geschrieben hat - über Gavrilo Princip, der Attentäter von Sarajevo im Jahre 1914. Sein Anschlag war natürlich ein gezielter, politischer Mord und kein Massenabschlachten wie die gegenwärtigen Terrorattacken. Die Ziele sind also nicht die gleichen. Trotzdem wussten auch Gavrilo und seine zwei Mittäter, dass sie aus der Nummer mit großer Wahrscheinlichkeit nicht lebend herauskommen. Sie haben sich für ihre Ideen geopfert.
Warum tun die das, muss man sich fragen. Die drei von Sarajevo waren keine Gangster oder Psychopathen. Sie waren einfach der Überzeugung, das einzig Richtige zu tun, um ihrem Volk zu helfen in dem Versuch, die österreichisch-ungarische Monarchie durch diese Attentat zu destabilisieren. Sie handelten aus einer Opferrolle heraus. Bei Princip war es das geknechtete, serbische Volk, das sie befreien wollten. Sie verstanden sich als Helden und waren sicher, die Nachwelt würde sie und ihre mutige Tat bejubeln und in Schulbüchern würdigen. Einer hat sich sogar noch am Tag davor bei einem Fotografen ablichten lassen.
Die schlimmsten Greuel in der Weltgeschichte werden von Menschen begangen, die sich und die Gruppe, zu der sich zugehörig fühlen, als Opfer verstehen und der festen Überzeugung sind, das Richtige zu tun, indem sie den vermeintlichen Feind oder Unterdrücker vernichten. Gewalt ist somit das letzte und gerechtfertigte Mittel, um den Untergang ihrer eigenen Gruppe, Nation, Rasse zu verhindern. Religionen und Ideologien, wie auch Nationalismus, Fremdenhass und Rassismus eignen sich wunderbar dafür. Und zur Not bastelt man sich selbst eine Ideologie zusammen wie Breivik und Tarrant in ihren „Manifestos”. Auch rechts-populistische Politiker schüren dieses Opferempfinden bei ihren Anhängern. Siehe Trump, Orban, Nigel Farage, und andere.
Das war schon zur Zeit der Kreuzzüge so, bei den Nazis und im Bosnienkrieg. Heutzutage haben wir es mit Islamisten auf der einen und rechtsradikalen Nationalisten auf der anderen Seite zu tun. White Supremists, wie Tarrant und Breivik, verbreiten Verschwörungstheorien, ihr „Volk” würde systematisch und mit Unterstützung linker Regierungen von Braunen, Moslems, Juden oder Kommunisten unterwandert. Sie reden davon, Widerstand zu leisten, die alte Ordnung wiederherzustellen, das Volk zu befreien, die Welt vom Ungeziefer zu säubern. Von Hetzreden bis zur Gewalt ist nur ein kleiner Schritt.
Und natürlich sehen sie sich dabei als Kämpfer und Helden, die bereit sind, sich selbst für das große Ziel zu opfern. Das scheint ihre Tat noch besonders zu heiligen. Nicht wenige solcher „Kämpfer” kommen aus asozialen Verhältnissen und sehen in ihrer Tat die Möglichkeit, ihrem nutzlosen Leben einen Sinn zu geben, ja einen Glorienschein.
Interessant, dass Brenton Tarrant sich angeblich eine längere Zeit auf dem Balkan aufgehalten hat, wo er sich vom serbischen Nationalismus hat anstecken lassen. Sowas wie „ethnische Säuberung” hat ihm bestimmt gefallen.
Das passt nun wiederum zu meinen drei Terroristen, die ich in „Der Attentäter” beschreibe. Zumindest im geografischen Sinne. In dem Buch, das im Herbst erscheinen wird, behandle ich die drei aber nicht als harte Verbrecher, sondern als verführte und fanatisierte Jugendliche mit einem romantischen Verständnis von Nation, die einem fast leid tun können. Aber nur fast. Das Buch ist jedenfalls spannend.

Schlafen die in Berlin?

Die Welt kommt um vor Hitze. Die Algarve brennt, Temperatur: 45 Grad im Schatten. Das muss man sich mal vergegenwärtigen - 45 Grad im Schatten. In Griechenland hat es kürzlich gebrannt. Kalifornien erlebt den größten Waldbrand aller Zeiten. In Deutschland vertrocknen die Ernten, auch bei uns brennen Wälder, die Ostsee hat Mittelmeer-Temperaturen. Seit Wochen regnet es nicht. Man kommt um vor Hitze, muss das Haus verrammeln, damit es innen noch etwas erträglich bleibt.

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Die Klimakatastrophe kommt immer näher. Aber unsere Regierung hat keinen Klimaplan. Wir verbrennen weiter Kohle, als ob es kein Global Warming gäbe, und scheinen auch sonst keine Idee zu haben, was man tun könnte, um unseren Beitrag zu leisten. Vielleicht ist es denen nicht warm, weil sie in klimatisierten Büros sitzen, die mit Strom von Kohlekraftwerken betrieben werden.

Großartiger Roman: "The Help"

Ein Buch hat mich dieser Tage besonders berührt: THE HELP, von Kathryn Stocket.

Der deutsche Titel ist GUTE GEISTER. Nicht besonders treffend übersetzt, denn mit „the help“ sind Dienstmädchen, Haushaltshilfen und Hausangestellte gemeint, in diesem Fall schwarze Frauen im tiefen Süden der USA, in Jackson Mississippi, im Jahre 1962. Das ist die Zeit der Bürgerrechtsbewegung, die Zeit von Martin Luther King.

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Ich zitiere und übersetze hier mal den englischen Klappentext:

In diesem Roman betritt der Leser eine vergangene und ungerechte Welt: Jackson, Mississippi, 1962, wo schwarze Hausangestellte weiße Kinder aufziehen dürfen, man ihnen aber durchaus zutraut, das Tafelsilber zu stehlen …
Da ist Aibileen, die ihr siebzehntes weißes Kind betreut und den tragischen Tod ihres eigenen Sohns betrauert; da ist Minny, deren Kochkunst genauso scharf wie ihre Zunge ist, und die weiße Miss Skeeter, gerade vom College zurückgekehrt, die wissen will, wieso ihre geliebte schwarze Dienstmagd spurlos verschwunden ist.
Skeeter, Aibileen und Minny. Niemand in Jackson hätte je vermutet, sie könnten Freundinnen werden; kaum jemand würde so etwas überhaupt akzeptabel finden. Doch als jede der drei Frauen auf ihre Weise den Mut findet, Grenzen zu überschreiten, kommen sie sich näher und beginnen, einander zu vertrauen und sich gegenseitig zu unterstützen. Sie suchen nach der Wahrheit und haben eine außergewöhnliche Geschichte zu erzählen …


Die drei beschließen, ein Buch zu schreiben, wie das Leben als schwarze Hausangestellte bei einer weißen Familie ist und sammeln ihre Erfahrungen und schreiben sie nieder. Positive wie negative Erfahrungen. Eher mehr negative. Das muss heimlich geschehen, niemand in Jackson darf erfahren, wer diese Autorinnen sind. Denn besonders die schwarzen Frauen riskieren nicht nur, ihren Job zu verlieren sondern auch noch mit Baseball-Schlägern verprügelt zu werden. Es ist die Geschichte eines sanften Aufstands in Zeiten der Bürgerrechtsbewegung gegen die Bigotterie der Weißen, spannend zu lesen, wunderbar geschrieben, zum Teil mit viel Humor und sehr berührend. In der englischen Fassung kann man zudem den melodischen Singsang des Südstaatenakzents genießen.

Das Buch erschien 2009 und wurde ein großer Erfolg. Ich glaube, es ist sogar verfilmt worden. Leider hat die Autorin, die selbst aus Mississippi stammt, so viel ich weiß, keinen weiteren Roman geschrieben. Schade.

Trotz aller Kritik an der bigotten und rassistischen Einstellung der weißen Südstaatler ist es ein positives, hoffnungsvolles Buch. Es ist ja auch seitdem vieles besser geworden. Aber wenn man beobachtet, wie gegenwärtig das Pendulum wieder in die andere Richtung zu schwingen scheint - steigender Rassismus, Nationalismus, Brexit, Hass auf Flüchtlinge -, dann stimmt es einen doch sehr traurig. Der Klappentext redet von einer vergangenen, ungerechten Welt - leider ist sie noch gar nicht vergangen. Wir leben immer noch mitten drin in dieser Welt, sogar in Deutschland. Auch hier gibt es Fremdenhasser und Rassisten. Schlimmer noch. Wir lassen Kinder im Mittelmeer ersaufen und klopfen uns dabei auf die Schulter.

Die deutsche Version:

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Ende der Vernunft?


CSU Führung


Seit einiger Zeit hat man das Gefühl, die Welt ist verrückt geworden. In England versuchen die Tories gegen jede wirtschaftliche oder politische Logik den Brexit durchzusetzen und ihrem Land auf Jahre zu schaden. In den USA macht Donald Trump mit seinen irren Entscheidungen alles kaputt, wofür die Amerikaner jemals in der Welt eingetreten sind. Er brüskiert Verbündete, bricht Handelskriege vom Zaun und hofiert verbrecherische Diktatoren, sperrt nun auch noch Kinder von Migranten ein. Auch in Italien herrschen seit Kurzem die Rechtsradikalen.

Und jetzt geht es auch in Deutschland los. Besser gesagt in Bayern. Die CSU ist mal wieder verrückt geworden. Was zum Teufel soll dieses Hofieren von Putin und Orban und nun auch noch Kurz? Auch so ein Kerl, der seine Seele dem Teufel verkauft hat. Und das Aufhängen von Kreuzen? Sie brechen einen Streit vom Zaun, bei dem sie Gefahr laufen, die Koalition zu zerbrechen und wegen ihrer kleinen Regionalwahl ganz Deutschland in eine Krise zu stürzen. Vielleicht sogar Europa.

Man könnte es wohlmeinend eine Dummheit nennen. Aber Seehofer, Söder und Dobrindt sind nicht dumm. Dafür aber verantwortungs- und rücksichtslos. Geradezu zynisch. Sie schüren Ängste über Probleme, die längst keine mehr sind. Der Flüchtlingsstrom ist zurückgegangen, Grenzprüfungen können überhaupt nur an zwei Stellen durchgeführt werden, auch die Kriminalität ist rückläufig. Dies ist ein Streit über nichts - ein "nothing burger", wie die Amerikaner sagen. Trump macht das Gleiche. Die Einwanderung der Mexikaner ist längst rückläufig, sogar negativ, die Kriminalität war noch nie so niedrig - aber Trump lügt und erzählt das Gegenteil, verbreitet wahre Hetzkampagnen über Horden von Kriminellen, die über die Grenze kommen.

Anscheinend hat die CSU von ihm gelernt. Vernunft Adé! Es werden Ängste geschürt, Lügen verbreitet, an niedere Gefühle appelliert - alles, um der AfD ein paar Stimmen abzujagen. Ich muss sagen, ich lebe gern in Bayern, aber ich wünsche diesen Herren im Oktober eine krachende Niederlage!

Was soll man als Autor mit der Facebook-Fanseite machen?

Unter Autorenkollegen hat die Inkrafttretung der neuen Datenschutzverordnung für Unruhe gesorgt. Was man denn nun genau tun müsse, um konform zu sein. Und jetzt dazu auch noch das EUGH-Urteil, die Betreiber von Facebook-Fanseiten seien für den Datenschutz auf diesen Seiten mitverantwortlich. Das hat viele aufgeschreckt und dazu bewogen, ihre Seite abzustellen oder vorerst nicht mehr sichtbar zu machen. Ich halte das für übertriebene Panik und unnötig. Niemand weiß oder kann uns zunächst sagen, was zu tun ist, um die Seite regelkonform zu machen. Und was Facebook mit den zwangsläufig anfallenden Daten tut, darüber haben wir keinen Einfluss. Und dass ich meine Seite lösche, kann ja wohl nicht das Ziel des Gesetzgebers sein. Also betreibe ich sie weiter wie bisher nur mit dem Hinweis, dass ich irgendwelche Nutzerdaten nicht an Dritte weitergebe und darüber hinaus annehme, dass Besucher selbst FB-Nutzer sind und mit den Datenschutzbestimmungen der FB-Plattform einverstanden sind, denen natürlich auch meine Seite unterliegt. Sobald klar wird, was von uns Seitenbetreibern genau verlangt wird, werde ich mich dem natürlich anpassen. Bis dahin … erstmal abwarten.

Hier ein guter Artikel zum Thema: Analyse zum EUGH-Urteil

Merkel-müde

Es sieht so aus, als ob Angela Merkel nicht mehr so begeistert ihr Amt ausübt wie früher. Ist sie amtsmüde?

Merkel-trashed-völlig-fertig


Aber vor allem bin ich Merkel-müde. Von weiteren 3 ½ langen Jahren einer Merkel-Regierung. Ich weiß gar nicht, warum die Leute immer so begeistert von ihr waren. Sie hat ziemlich oft die falschen Entscheidungen getroffen, Dinge einfach ausgesessen und nie eine Vision für das Land angeboten. Man weiß eigentlich gar nicht, wofür sie steht. Außer dass sie stramm zur deutschen Industrie steht. Die dürfen alles machen und die Luft mit Dieselabgasen verpesten - Merkel kümmert's nicht.
Wenn man die Merkel-Jahre betrachtet, hat sie immer den Lobbyisten nachgegeben. Den Banken, die Griechenland ausgeplündert haben. Die sogenannte Austeritätspolitik, die andere Länder in der EU in die Knie gezwungen hat - zuletzt Italien. Sie hat mit Schuld daran, dass die Italiener aus Protest die Rechtsradikalen wählen. Macron entwirft einen Plan für Europa - sie hat Angst, ihre konservativen Anhänger könnten das nicht mögen. Sie wollte die Klima-Queen sein, aber alles wurde verschleppt. Wir ersticken in Plastikbergen - sie tut nichts dagegen - könnte ja die Lebensmittelindustrie ärgern. Auch gegen die katastrophale Tierhaltung wird nichts getan - den Bauernverbänden würde das nicht gefallen. Die Digitalisierung ist nur ein Schlagwort - passieren tut auch hier nichts. Den Reichen darf man keine Erbschaftssteuer abverlangen. Die Mieten explodieren - trotzdem wenig Geld für Sozialwohnungen. Deutschlands Infrastruktur verkommt - Angela hält an der Schwarzen Null fest.
Man könnte diese Liste endlos weiterführen. Nichts geschieht in diesem Land. Nichts, um die größeren Probleme zu bewältigen. Es ist ein elender Stillstand. Ich muss sagen, ich bin dieser Frau so überdrüssig und so müde, wie sie selbst auf diesem Bild in die Welt schaut.